Vertane Chance :
Das Willy-Brandt-Weltraumteleskop

Von Sibylle Anderl
Lesezeit: 2 Min.
Sollte schon lange im Weltraum sein: das James Webb Weltraumteleskop
Der Flughafen Berlin Brandenburg wird in der Riege der Katastrophenprojekte gerne als führend genannt. Dass es trotzdem noch schlimmer geht, zeigt das James Webb Weltraumteleskop. Eine Glosse.

Eine große Anzahl astronomischer Studien endet mit einer Variante des Satzes: Genaueres wird sich erst dann sagen lassen, wenn das James Webb Weltraumteleskop (JWST) der Nasa seinen Betrieb aufnimmt. Das Phänomen ist nicht neu. Das Teleskop steckt schließlich schon seit Ende der neunziger Jahre in der Entwicklung. Bereits Jahre davor war unter Astrophysikern die Überzeugung gereift, dass man sich auf eine Nachfolgemission für das Hubble-Weltraumteleskop vorbereiten müsse, da dessen Leistungsgrenzen schon damals – noch vor seinem Start – abzusehen waren.

Die Entwicklung des JWST währt nun schon mehr als zwanzig Jahre, elf Jahre sind vergangen, seit es ursprünglich starten sollte, ohne dass das 6,5-Meter-Teleskop den Erdboden verlassen hätte. 2010 wurde es in „Nature“ als „das Teleskop, das die Astronomie auffraß“ bezeichnet und 2011 fast eingestellt, nachdem die Nasa Missmanagement eingestanden hatte. Stattdessen gab es eine Budgetdeckelung bei acht Milliarden Dollar, die aber seitdem auch schon wieder überschritten wurde. Im Frühjahr dieses Jahres lockerten sich dann bei einem Test, der das Rütteln beim Start des Teleskops simulieren sollte, Teile des Instruments, bei einem probeweisen Auseinanderfalten der fußballfeldgroßen Sonnenschutzplane riss das teure Hightech-Tuch.

Nun wird also alles noch später und noch teurer, wie die Nasa vergangene Woche eingestand: neuer Starttermin ist Ende März 2021, die geschätzten Gesamtkosten – ursprünglich bei einer halben Milliarde Dollar gestartet – nähern sich der 10-Milliarden-Marke. Den Optimismus hat die Nasa dennoch nicht verloren: „Webb ist es wert“, bekräftigte Thomas Zurbuchen, Wissenschaftsdirektor der Nasa.

So wenig Revolutionäres für so viel Geld: der Flughafen Berlin Brandenburg als Dauerbaustelle
So wenig Revolutionäres für so viel Geld: der Flughafen Berlin Brandenburg als Dauerbaustelledpa

Aus deutscher Perspektive kann man diese Neuigkeiten verschieden deuten. Einerseits zeigt es, dass es durchaus Projekte gibt, die mit größeren planerischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen haben als der Flughafen Berlin Brandenburg (BER): bei einem Anfangsbudget der Nasa, das rund ein Viertel dessen des BER betrug, ist die Kostenexplosion des größten Weltraumteleskops deutlich dramatischer als die des Flughafens. Auch die Verzögerung bei der Nasa (vierzehn Jahre) macht dem Flughafen (neun Jahre) Hoffnung: im Vergleich gibt es da noch Luft.

Andererseits muss man aber doch auch festhalten: Wie viel mehr überzeitlichen Ruhm und weltweite Bewunderung hätten Berlin und Brandenburg erlangen können, wenn sie statt in einen Flughafen ihr Geld in ein großartiges Weltraumteleskop investiert hätten, das sich anschickt, unser Wissen über die Entwicklung des Universums grundlegend zu revolutionieren: größer, leistungsstärker, technologisch atemberaubender als alles zuvor. Der BER will dagegen nicht einmal der größte deutsche Flughafen werden. Von atemberaubender Technologie ganz zu schweigen.