Neue Ära der Astronomie: Gravitationswellen und Licht vom selben Ereignis – der ersten „Kilonova“

So war das am 17. August: Satelliten sehen einen Gamma-ray Burst, Gravitationswellen-Detektoren messen ein Signal von derselben Quelle - und mehrere optische Teleskope (hier stellvertretend vom Las Cumbres Observatory) lokalisieren eine rasch verblassende Sternexplosion in einer Galaxie, die hinter all dem steckte. Die Geburtsstunde der "Multi-Messenger-Astronomie", mit Signalen vom selben Ereignis auf mehreren ganz verschiedenen Wegen. [Sarah Wilkinson / LCO]

Die Ära der „Multi-Messenger-Astrononomie“ ist im August angebrochen: Zum ersten Mal wurden von derselben kosmischen Explosion sowohl Gravitationswellen wie ein Gammastrahlen-Blitz und ein mehrtägiges Nachglühen bei diversen längeren Wellenlängen, auch im sichtbaren Licht, beobachtet. Verursacher war das Verschmelzen zweier Neutronensterne in der Galaxie NGC 4993, und das Resultat war eine „Kilonova„-Explosion: lange schon vorhergesagt aber nun zum ersten Mal beobachtet.

Die Galaxie NGC 4993 mit der Kilonova, die zuvor für den Gamma-Blitz und die Gravitationswellen gesorgt hatte: eine Aufnahme mit dem VIMOS-Instrument am Very Large Telescope. Sie ist rund 130 Mio. Lichtjahre entfernt, womit es sich bei der Kilonova um die nächstgelegene identifizierte Quelle von Gravitationswellen und auch eine der nächsten von Gamma-Blitzen handelt. [ESO]
Es war zuletzt das wohl am schlechtesten gehütete Geheimnis der Astronomie – kein Wunder, denn Scharen beobachtender Astronomen an rund 70 Sternwarten waren involviert. Schon am Tag danach hatte es konkrete Gerüchte gegeben, die dann am 3. Oktober einer der frisch gebackenen Physik-Nobelpreisträger de facto bestätigt hatte, und seit heute sind auch alle Details publik: Innerhalb von zwei Sekunden hatten die Satelliten Fermi der NASA und Integral der ESA am 17. August einen Gammastrahlen-Blitz gesehen und die drei Gravitationswellen-Detektoren LIGO (zweimal in den USA) und VIRGO (in Italien) ein klares Signal empfangen. Letzteres sah völlig anders aus als die nunmehr schon gewohnten von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern: Der Wellenzug bis zur Fusion war viel länger, dauerte fast eine Minute. Das passte nun genau zur finalen Vereinigung zweier Neutronensterne, der superdichten Überreste explodierter massereicher Sterne. Und es ist wiederum genau jener Vorgang, der schon lange als der Verursacher der kurzen Klasse von Gammastrahlen-Blitzen gilt. Die Sternexplosion ist ungefähr tausendmal so hell wie eine klassische Nova-Explosion (bei der lediglich Gas auf der Oberfläche eines Weißen Zwergs zündet): So ist der Begriff Kilonova entstanden.

Die Helligkeit der Kilonova, verfolgt von Teleskopen des Las Cumbres Observatory rund um den Globus: Millionen Sonnenleuchtkräfte gegen Tage nach der Verschmelzung der Neutronensterne. Die Galaxie stand im August bereits recht sonnennah und konnte pro Standort nur je eine Stunde am Abend beobachtet werden. Die Helligkeit der Kilonova fiel rasch, während sie auch rasant immer röter wurde – schneller als je nach einer kosmischen Explosion beobachtet. [Sarah Wilkinson / LCO]
Jetzt galt es den Ort zu lokalisieren: Die Himmelsposition nur der Gamma-Satelliten war sehr ungenau (Grafik oben), aber die drei Gravitationswellen-Detektoren hatten das Feld so weit eingegrenzt, dass es möglich war, alle relativ nahen Galaxien in den 35 Quadradgrad systematisch abzusuchen. Etliche automatisch alarmierte Teleskope machten sich an die Arbeit – und sechs wurden kurz nacheinander in NGC 4993 fündig (als erstes übrigens das Swope Telescope, ein alter 1-m-Spiegel auf dem Las Campanas Observatory in Chile): Da war tatsächlich eine neue Quelle aufgetaucht (mittleres Bild), die in den folgenden Tagen rasch verblasste und rot wurde (Kurve unten). Ihr Spektrum war dabei außergewöhnlich: Auch das passte alles wieder genau zu einer Kilonova, wie sie Theoretiker als Folge von Neutronenstern-Verschmelzungen schon seit über 30 Jahren vorhersagen. Nun ließ sich zum ersten Mal ein Exemplar im Detail studieren, von den eingeweihten Astronomen jedenfalls (über den Nutzen – oder Schaden – der zumindest versuchten Geheimhaltung darf man streiten) und auch im Röntgen- und Radiobereich: Diese im Optischen eher unscheinbaren Sternexplosionen spielen bei der Erzeugung schwerer chemischer Elemente – Gold zum Beispiel – eine gewichtige Rolle.

LINKS:

ESO Press Release: https://www.eso.org/public/news/eso1733
Mini-Doku aus Sicht des LCO: https://www.youtube.com/watch?v=aLCl2PpV-wo
„Handbuch“ über Kilonovae: https://arxiv.org/abs/1610.09381

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