Mit einer Schnur zu anderen Himmelskörpern?

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„Warum muss man eigentlich mit Raumschiffen auf dem Mond oder Mars landen? Könnte man nicht eine Schnur herunterlassen und absteigen?“ Diese Frage wurde uns auf Twitter gestellt.

Wenn die Frage so gemeint war, dass ein Raumschiff bis zum Mond oder Mars fliegt, dort dicht über der Oberfläche in einer „Park-Position“ schwebt und sich dann ein Team zum Boden abseilt: Jo, machbar – bringt aber nix ;-) Denn der Aufwand wäre nicht geringer, als wenn man die letzten Kilometer mit einer Landefähre zurücklegt, die dann für die Dauer des Aufenthalts als „Wohnwagen“ und zugleich als „Geräteschuppen“ für all die wissenschaftlichen Instrumente dient. Aber spinnen wir die Frage mal weiter: Ginge die Sache auch ganz ohne Raumschiff? Nur mit einer Schnur? Ihr merkt schon: Mit dieser eleganten Überleitung sind wir beim Thema Weltraum-Lift angekommen. Dieses Konzept dreht sich um einen Aufzug, der an einem Seil bis ins All reicht. Ob das wohl geht? Die Antwort in Kurzfassung: Ja, könnte klappen. Zumindest in der Theorie. Hier einige etwas ausführlichere Überlegungen zu all dem …

Kleines Gedanken-Experiment

Zunächst einmal wäre es natürlich nicht ratsam, die Erde direkt mit einem anderen Himmelskörper zu verbinden. Stellen wir uns mal in einem Gedanken-Experiment ein superlanges Seil vor, das am einen Ende auf dem Erdboden verankert wäre und am anderen Ende auf der Mondoberfläche. Auf dem Mond wäre das kein Problem: Er wendet der Erde immer dieselbe Seite zu – genauso, als wäre er an einem Seil befestigt. Das nennt man übrigens gebundene Rotation. Auf dieser erdzugewandten Seite könnten wir also unser Seil anbringen, ohne dass sich etwas verheddert. Das sähe etwa wie beim Hammerwerfen aus: Da zeigt ja der Punkt, an dem die Metallkugel an einem Stahlseil befestigt ist, auch immer zum Werfer, der sich um die eigene Achse dreht.

Beim Hammerwurf ist die Kugel an einem Punkt mit dem Seil verbunden. Dreht der Werfer die Kugel im Kreis um sich herum, zeigt immer dieselbe Seite der Kugel zu ihm – genau wie der Mond immer dieselbe Seite zur Erde zeigt. Bild: Wikipedia
Beim Hammerwurf ist die Kugel an einem Punkt mit dem Seil verbunden. Dreht der Werfer die Kugel im Kreis um sich herum, zeigt immer dieselbe Seite der Kugel zu ihm – genau wie der Mond immer dieselbe Seite zur Erde zeigt. Bild: Wikipedia

Problematisch wird die Befestigung auf der Erde: Unser Planet dreht sich bekanntlich in 24 Stunden einmal um sich selbst – viel schneller, als der Mond für eine Umkreisung der Erde benötigt (das dauert fast einen Monat). Anders als der oben erwähnte Hammerwerfer, der sich genauso schnell dreht wie die Kugel um ihn herum saust, rotiert die Erde also viel schneller, als die „Mondkugel“ um ihn herum wandert. Durch die Erdrotation würde sich daher unser Seil allmählich um die ganze Erde herum aufwickeln – wie eine Spaghetti-Nudel, die man um die drehende Gabel wickelt, oder wie eine Drachenschnur, die man aufwickelt, um den Drachen zurückzuholen. Dadurch würde unser Seil entweder den Mond allmählich zur Erde hinziehen (unwahrscheinlich) oder zerreißen (wahrscheinlicher).

Um das ganze Kuddelmuddel zu verhindern, könnte man auf die Idee kommen, das Seil am Nord- oder Südpol der Erde anzubringen. Schließlich kann es sich an diesen Punkten, die ja das nördliche und südliche Ende der Erdachse darstellen, nicht verheddern. Aber könnte ein Seil vom Nordpol der Erde „schnurgerade“ und hindernisfrei bis zum Mond reichen? Anders gefragt: Klettert der Mond – vom Nordpol aus gesehen – überhaupt über den Horizont? Ist er von dort (oder vom Südpol) aus überhaupt sichtbar? Um es kurz zu machen: Man sieht den Mond, aber man sieht ihn nicht immer. Jeweils zwei Wochen lang steht er über dem Horizont, dann zwei Wochen lang darunter. Das hat mit der Neigung der Erdachse und mit der Bahn des Mondes um die Erde herum zu tun – und es bedeutet: Nur wenn wir den Mond sehen, könnte ein Seil schnurgerade dorthin gespannt sein. Wenn der Mond unterm Horizont steht, geht’s nicht.

Auch ein Seil zwischen Erde und Mars wäre keine gute Idee: Unser äußerer Nachbarplanet benötigt auf seiner Bahn um die Sonne doppelt so viel Zeit wie die Erde (weshalb ein Mars-Jahr zwei Erden-Jahre dauert). Wir überholen den Mars immer wieder auf unserer kürzeren Innenbahn. Da kommt es zwangsläufig zu der Situation, dass die Erde auf der einen Seite der Sonne ist und der Mars auf der anderen: Unser Seil würde also in der Sonne verbrennen.

Der Weltraum-Fahrstuhl

Künstlerische Darstellung eines Weltraum-Aufzuges. Bild: NASA
Künstlerische Darstellung eines Weltraum-Aufzuges. Bild: NASA

Viel besser wäre es daher, wir würden das Seil mit dem einen Ende am Erdboden und mit dem anderen Ende an einem Satelliten befestigen. Wenn uns dann ein Aufzug zum Satelliten bringen würde, könnte man von dort mit einem Raumschiff leichter zu anderen Himmelskörpern fliegen als von hier unten. Damit es nicht wieder zu dem oben geschilderten Kabelsalat kommt, müsste der Satellit allerdings die Erde so schnell umkreisen, dass er immer genau senkrecht über der Verankerung steht. Aber kann ein Satellit so rasend schnell um die Erde sausen, dass er immer über derselben Stelle steht? Was meinst du: Geht das? Okay, wir verraten es – falls du es nicht sowieso schon weißt: Na klar! Alle Fernsehsatelliten machen das: Sie befinden sich in knapp 36.000 Kilometer Höhe und umrunden die Erde innerhalb von 24 Stunden. Auf ihren Bahnen sind sie dabei 3 Kilometer pro Sekunde schnell! Dadurch drehen sie sich genau mit der Erdrotation mit und stehen immer über demselben Punkt. Von der Erdoberfläche aus gesehen befindet sich der Satellit deshalb immer am selben Fleck am Himmel. Das ist auch der Grund, warum man eine Satellitenschüssel auf dem Dach oder Balkon nur einmal auf den Satelliten ausrichten muss (ohne ständig am Himmel herum zu suchen, wo er wohl jetzt gerade sein könnte). Diese sogenannten geostationären Satelliten „stehen“ übrigens genau über dem Äquator – und dort müsste dann auch die Verankerung auf dem Boden sein.

Der Witz an dem Konzept eines Weltraum-Lifts ist übrigens: Das Seil wird zwar von der Erde angezogen, müsste also eigentlich nach unten fallen. Doch indem es am Satelliten befestigt die Erde umrundet und sich auf dieser Kreisbahn sehr schnell fortbewegt, wird die Erdanziehung dank der Fliehkraft, die ja genau in die entgegengesetzte Richtung wirkt, ausgeglichen. Fliehkraft – die spürt man, wenn ein Auto schnell durch die Kurve rast und man nach außen gedrückt wird. Oder denk an die Sache mit dem Wasser im Eimer, den man am ausgestreckten Arm schnell im Kreis herum schleudert: Das Wasser wird in Drehrichtung zum Boden des Eimers gedrückt und bleibt auch dann drin, wenn sich der Eimer – mit der Öffnung nach unten – über uns befindet. Kleiner Tipp: Solltest du jetzt einen nassen Kopf haben, hast du nicht schnell genug geschleudert … Jedenfalls: Lässt man das Seil etwas weiter über die Umlaufbahn des Satelliten hinausreichen, heben sich Anziehungskraft und Fliehkraft auf und das Seil reicht schön stabil vom Boden bis ins All. Wie aber kann ein Seil bis in 36.000 Kilometer Höhe und noch etwas weiter reichen? Statt es von der Erde nach oben „wachsen“ zu lassen, hängt man es natürlich besser vom Satelliten nach unten ab – das geht leichter. Und dann würde eine Kabine von der Start-Plattform langsam am Seil entlang nach oben in den Weltraum fahren. Die dafür nötige Energie könnte zum Beispiel mit Solarzellen gewonnen werden. Und damit man die Aufzugfahrt nicht nachts unterbrechen müsste, würden Speichermedien die tagsüber gewonnene Sonnenenergie bei Dunkelheit ins System einspeisen.

Das Problem mit dem Seil …

3D-Modell von Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Bild: Wikipedia/Mstroeck
3D-Modell von Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Bild: Wikipedia/Mstroeck

Es gibt nur ein großes Problem an der Sache: das Seil. Es würde zerreißen! Und zwar nicht, weil man etwas besonders Schweres daran hängt. Sondern es würde bei dieser enormen Länge unter seinem eigenen Gewicht zerreißen. Selbst wenn man es oben dicker als weiter unten machen würde, weil es oben logischerweise mehr Gewicht trägt. Kein Material der Welt könnte das aushalten! Auch die allerbesten Stahlseile, die Brücken oder Seilbahnen halten, könnten von ihren Materialeigenschaften her maximal einige hundert Kilometer lang sein (in Wirklichkeit sind sie natürlich viel kürzer, weil keine Brücke oder Seilbahn so lang sein muss). Eine Lösung stellen vielleicht sogenannte Kohlenstoff-Nanoröhrchen dar. Vielleicht! Diese extrem reißfesten und gleichzeitig sehr dünnen und leichten High-Tech-Materialien wurden zwar vor einiger Zeit entwickelt – es gibt sie also schon und sie übertreffen die Reißfestigkeit von Stahl bei Weitem. Aber man kann sie bislang nicht annähernd auf die Länge bringen, die für einen Weltraum-Lift nötig wäre. Bleibt also vorerst nur der schnurlose Weg in den Weltraum – und vielleicht wird das mit dem Aufzug auch für immer nur eine „Spinnerei“ gewesen sein. Apropos: Spinnfäden sind bei gleicher Dicke reißfester als Stahl! Aber an einem Spinnfaden ins Weltall? Das ist jetzt wirklich eine wilde Spinnerei …

Wenn du auch eine Frage hast: Schick sie uns über: next@dlr.de. Wir schreiben auf jeden Fall zurück - und besonders interessante Fragen beantworten wir hier auch öffentlich.